The Big Easy aka New Orleans: Meine Never-wanna-miss-Erfahrung in den USA
Von Felix Richter | Jura | University of North Florida | (Studienstipendium 2022)
Drrrriiiing, dring, dring - Montag, 3. Oktober 2022, 9:00 Uhr und mein Wecker meldet sich mit seinem typischen, zugegebenermaßen ebenso unbeliebten wie hochmotivierten, Guten-Morgen-Ruf. Nach dem Aufstehen wird erstmal Kaffee gemacht. Bereits nach wenigen Versuchen wissen geübte Kaffeetrinker, dass die amerikanischen Cafés sich gar nicht mit den europäischen oder gar italienischen Könnern vergleichen sollten.
Danach geht es in Richtung Uni:
Heute steht Strafrecht sowie amerikanisches Schadensersatzrecht auf dem Stundenplan und im Laufe der Woche folgen noch weitere Vorlesungen zum Kartell- und Rohstoffrecht.
Der Weg zum Campus führt über schnurgerade Straßen, schachbrettartig angelegt, durchzogen von unzähligen, teils beachtlich tiefen Schlaglöchern und gesäumt von wunderschönen, alt-verschlungenen Bäumen, dazu die angenehm warme, feuchtigkeitsgetränkte Luft. Dort angekommen, bin ich jeden Tag aufs Neue von der Größe und Opulenz der Unianlagen begeistert
Renommierte und engagierte Professoren erklären uns, einer Gruppe von etwa achtzig amerikanischen Student:innen, die Details des amerikanischen Case-Laws. Aufgrund der interaktiven Vorlesung mit unangekündigtem Aufrufen und intensiven Diskussionen zwischen Student:innen und Professor:innen herrscht immer eine gespannte Aufmerksamkeit und mit der Zeit stelle ich fest, dass das amerikanische Recht zwar im Ansatz grundverschieden, im Endergebnis jedoch – mal abgesehen von den typisch amerikanischen und aus deutscher Sicht durchaus abstrusen Fällen – häufig sehr ähnlich ausfällt.
Anschließend führt mich mein Weg aus der Law School heraus einmal quer über den Campus, vorbei an einem hochmodernen Gebäudekomplex mit zahlreichen Essensständen, Co-Working-Spaces und Veranstaltungsräumlichkeiten sowie einer gewaltigen Mensa, durch die, nur für die jüngeren amerikanischen Studenten vorgesehenen, Campus-Housing-Anlagen, entlang des Fußballplatzes bis zum Uni-Gym. Dieses ist, wie alles in den USA, auch wieder ein bisschen zu groß geraten, bietet alles, was das Herz begehrt, und ist weit unter jede Wohlfühltemperatur heruntergekühlt. Sofern man nicht gerade Sport macht, hat eben dieses Temperaturmanagement jedenfalls in den Hörsälen trotz 30 °C Außentemperatur nicht selten zu Outfits aus Pullover und langer Hose geführt.
Nach dem Gym geht es erstmal nach Hause. Der Workload des US-Studiums war in meinem Fall zwar geringer als der an der deutschen Universität, trotzdem waren – im Unterschied zu Deutschland – aufgrund des andersartigen verschulten Vorlesungsstils die Vorlesungen immer vorzubereiten, damit man für etwaige Fragen und Diskussionen gerüstet war.
Nach der Arbeit kommt das Vergnügen, was dank vieler schnell geknüpfter Freundschaften zu anderen Internationals genauso wie einigen Amerikanern in lustigen gemeinsamen Abenden mit unterschiedlichsten Aktivitäten endete. Dazu gehören alle Arten von Ballsport, in erster Linie natürlich Football und Basketball, wahlweise in den Uni-eigenen Stadien mit den College-Mannschaften oder aber Downtown mit den großen NFL und NBL Teams. Neben Sport laden sowohl Uni als auch New Orleans ein zu einem vielfältigen Kulturprogramm mit Musik an jeder Ecke der Stadt, Museen, Kunst und Literatur. Von Uniseite wurde jede Woche aufs Neue ein umfangreiches Programm zusammengestellt, angefangen bei gemeinsamen Global Cafés über Konzerte, Vorträge, Free-Food-Events bis hin zu zusätzlichem fachlichem Input bei Fortbildungsveranstaltungen.
Und New Orleans als Stadt heißt nicht umsonst The Big Easy: Authentisch strahlt jeder Winkel diese gelockerte Lässigkeit aus, Live-Jazz tönt aus jeder einzelnen Bar, selbst in Clubs wird noch live performt, der Gaumen lässt sich mit der besonderen aus unterschiedlichen Kulturkreisen inspirierten, kreolischen Cajun-Küche aus Meeresfrüchten und besonderen Gewürzen verwöhnen, die Partymeilen der Stadt fordern geradezu zu Tanz und guter Laune heraus und es vergeht keine einzige Fahrt in den öffentlichen Verkehrsmitteln, ohne dass man von einem der sehr interessierten wie offenen und herzlichen Einheimischen angesprochen und in spannende Gespräche verwickelt wird.
Nach einem geselligen Abend, mit dem Saxophon-Solo noch im Ohr und der ausgelassenen Stimmung im Gepäck, bringt mich das Street-Car tuckernd zu meiner Wohnung zurück. Ein schöner Tag! So einer, wie ich schon viele hatte und wie noch viele weitere gekommen sind. Lay back, take it easy & just go with the flow!
Exemplarisch für den Ablauf meines Auslandsaufenthalts zeigt mein beschriebener Tag, wie sehr ich meine Zeit in Amerika genossen habe. Aus universitärer Sicht war der etwas tiefere Einstieg in ein ganz neues Rechtsgebiet sehr interessant und aufschlussreich. Auch die Unterschiede in der Art der Lehre sowie den Universitäten an sich waren wertvolle Erfahrungen für mich. Daneben ist vor allem auch der soziale und kulturelle Austausch ein sehr prägender Teil der Auslandserfahrung.
Es hat mir viel Spaß bereitet, viele neue Leute aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen und Hintergründen kennenzulernen und mit ihnen Zeit verbringen zu dürfen. Auch einen eigenen, ehrlichen Eindruck vom Land „Amerika“ zu gewinnen, war sehr spannend und aufschlussreich. Dabei ist mir insbesondere aufgefallen, wie immens die Unterschiede zwischen Europa und Deutschland im Speziellen im Vergleich zu den USA sind:
Obwohl beide Staaten zu den westlichen Industrienationen zählen, könnten sie im Hinblick auf Gesellschaft, Kultur und Lifesytle kaum unterschiedlicher sein. Aber es sind ja gerade diese Unterschiede, die die Erfahrung ausmachen, spannend sind und Freude bereiten.
Das halbe Jahr war für mich eine enorm bereichernde Zeit, sodass ich mich jederzeit wieder dafür entscheiden würde und anderen auch wünsche, diese Möglichkeit zu bekommen und zu ergreifen!